Der Aufstieg zum Herzogstand – eine Frühjahrswanderung mit Schneeflocken und Weitblick
An einem frischen Maitag starten mein Freund Jonas und ich in München in Richtung Süden. Die Straßen sind überraschend leer, und so erreichen wir nach knapp einer Stunde Fahrt das Tal unterhalb des Herzogstands – direkt am türkisblauen Walchensee. Unser Ausgangspunkt ist der Parkplatz an der Seilbahnstation, nahe dem sogenannten „Wikingerdorf Falke“, das mit seinen rustikalen Holzbauten ein fast filmreifes Ambiente bietet. Noch bevor wir losgehen, atmen wir tief ein – die klare Bergluft und der Blick auf den ruhigen See stimmen uns perfekt auf den Tag ein.


Unten im Tal ist das Wetter freundlich, aber für Mitte Mai recht kühl – nur etwa 10 Grad. Wir sind froh, eine zusätzliche Schicht eingepackt zu haben. Der Himmel ist zwar klar, doch je weiter wir hinaufsteigen, desto mehr merken wir: Dieser Tag hat nicht nur Sonne, sondern auch Überraschungen im Gepäck.
Unser Ziel ist das Herzogstandhaus, eine gemütliche Hütte auf rund 1.575 Metern Höhe. Der Weg dorthin ist mit etwa drei Stunden ausgeschildert, aber da wir beide regelmäßig wandern, schaffen wir ihn in 2 Stunden und 15 Minuten – mit Fotopausen und kurzem Innehalten zwischendurch.
Der Aufstieg beginnt relativ steil, verläuft aber auf gut ausgebauten Wegen. Wer ein bisschen Grundkondition mitbringt, wird keine Probleme haben. Bereits nach wenigen Minuten öffnen sich erste Ausblicke auf den glitzernden Walchensee. Je weiter wir steigen, desto beeindruckender wird das Panorama: Schneebedeckte Berggipfel ragen in der Ferne auf, der See liegt tiefblau eingebettet im Tal, und die Wälder färben sich in frischem Frühlingsgrün.
An mehreren Stellen laden kleine Bankerl oder Felsvorsprünge zum Verweilen ein. Hier halten wir inne, trinken einen Schluck Wasser, atmen durch – und genießen einfach den Moment. Diese Ruhe, die klare Luft, die Freiheit auf dem Berg: Es ist genau das, was man manchmal braucht, um wieder aufzutanken.


Was uns besonders überrascht: Je näher wir der Hütte kommen, desto stärker wird der Wind. Und dann, plötzlich – leichter Schneefall. Winzige Flocken tanzen vor unseren Augen, als wollten sie uns daran erinnern, dass der Berg seine eigenen Regeln hat. Es ist ruhig, fast magisch. Der Kontrast zwischen den frühlingshaften Wiesen weiter unten und den winterlichen Anzeichen hier oben macht diesen Tag zu einem echten Naturerlebnis.
Der Weg bleibt durchgehend gut begehbar, nur ein paar schmalere Passagen erfordern Trittsicherheit – nichts Dramatisches, aber man sollte konzentriert bleiben. Unterwegs entdecken wir sogar einen kleinen Wasserfall, der wie aus dem Nichts in die Landschaft eingebettet ist. Ein unerwartetes Highlight und ein schöner Fotospot.
Nach gut zwei Stunden erreichen wir die Herzogstandhütte, wo der warme Duft von Suppe und Hüttenschmankerl in der Luft liegt. Wir gönnen uns eine Pause, wärmen uns auf – und blicken durch die großen Fenster auf das, was hinter uns liegt: Ein Weg voller schöner Ausblicke, stiller Momente und echter Naturverbundenheit.




Oben angekommen hat Jonas sich einen herzhaften Schweinebraten bestellt. Da es im Inneren der Hütte ziemlich voll war, entschieden wir uns, draußen Platz zu nehmen. Das Wetter spielte dabei seine ganz eigene Show ab – typisch April, aber eben im Mai. Gerade als wir unsere Teller bekamen, begann es zu schneien und der Wind frischte merklich auf. Doch genauso schnell kam auch wieder die Sonne hervor, und die Temperaturen wurden angenehm warm. Dieses Spiel von Kälte und Wärme, Schneefall und Sonnenschein verlieh dem Moment eine besondere Atmosphäre.
Vom Restaurant aus hatten wir einen atemberaubenden Blick auf den tiefblauen Walchensee und die umliegenden Berge. Die Landschaft war einfach wunderschön – ein Panorama, das man so schnell nicht vergisst. Nach einer kurzen Pause machten wir uns bereit für den nächsten Abschnitt der Tour: zum ersten von vier Gipfelkreuzen, dem Herzogstandgipfel auf 1.730 Metern Höhe.

Der Weg dorthin führte über einen schmalen, teils engen Grat, der sich spektakulär entlang der Bergkämme zieht. Obwohl der Schnee noch lag, bot sich uns ein dauerhaft beeindruckendes Panorama. Es hatte etwas ganz Besonderes, bei winterlichen Bedingungen einen so weiten Blick auf die umliegenden Gipfel und Täler zu genießen. Die Kombination aus Schneeflocken, Sonne und klarer Fernsicht verlieh der Szenerie eine fast magische Atmosphäre.
Als wir schließlich das erste Gipfelkreuz erreichten, spürten wir sofort, dass dies ein besonderer Moment war – auch wenn es sich irgendwie wie der Anfang unserer eigentlichen Tour anfühlte. Von dort oben eröffnete sich uns erstmals der Blick auf den Kochelsee, der in der Ferne ruhig und glitzernd lag. Dieser zusätzliche Ausblick machte das Erlebnis noch eindrucksvoller und zeigte uns einmal mehr die Vielfalt der Landschaft rund um den Herzogstand.
Interessanterweise war ich an diesem Tag im Pulli und kurzer Hose unterwegs – eine eher ungewöhnliche Kombination angesichts des Schnees. Diese Mischung aus warmem Sonnenschein und kaltem Wind brachte ihre eigenen Herausforderungen mit sich, war aber zugleich ein kleines Abenteuer. Es zeigte mir, wie launisch das Bergwetter sein kann – und wie sehr genau das zum Reiz solcher Touren dazugehört.


Vom Herzogstandgipfel aus ging es zunächst wieder ein Stück hinab, bevor der Anstieg zum nächsten Gipfelkreuz bevorstand – dem Martinskopf, der auf dem Weg zum Heimgarten liegt. Dort angekommen, eröffnete sich uns ein ganz besonderes Schauspiel: Über dem Kochelsee spannte sich ein Regenbogen, der sich eindrucksvoll in der Landschaft abzeichnete und die ohnehin schon beeindruckende Aussicht noch einmal veredelte.
Anschließend begann die eigentliche Gratwanderung zum Heimgarten – ein Abschnitt, der Konzentration, Trittsicherheit und ein gutes Gefühl für Balance erforderte. Der schmale Pfad schlängelte sich direkt über die Kämme, links und rechts teils steil abfallend. Auch wenn wir keine absoluten Bergprofis sind, war der Weg durchaus machbar – mit der nötigen Vorsicht und gegenseitiger Unterstützung.

Etwa auf halber Strecke machten wir einen kleinen Abstecher zum mittleren Gipfelkreuz. Dabei passierte es: Wir verpassten den regulären Weg und landeten abseits der Route, mitten im dichten Gestrüpp. Plötzlich standen wir vor einer felsigen Kante – etwa zehn Meter hoch – und mussten entscheiden: zurück oder klettern? Da ein Zurück kaum möglich war, wagten wir vorsichtig den Abstieg über die Felsen, tasteten uns Schritt für Schritt hinunter und fanden schließlich wieder den Hauptweg. Eine unerwartete Herausforderung – aber auch eine wertvolle Erfahrung, gerade für Anfänger wie uns. Diese spontane Mini-Klettereinlage hatte etwas Abenteuerliches und wird uns sicher lange in Erinnerung bleiben.
Der weitere Weg war zwar körperlich fordernd, aber landschaftlich ein absolutes Highlight. Trotz der Anstrengung lohnte sich jeder Schritt. Der Grat bot durchgehend traumhafte Ausblicke – auf die grünen Täler, die schneebedeckten Spitzen in der Ferne und die spiegelnden Seen unter uns. Die klare Luft schenkte uns eine ungeahnt weite Sicht, wie man sie selten erlebt.
Nach etwa anderthalb Stunden erreichten wir schließlich den Heimgarten auf 1.790 Metern Höhe – erschöpft, aber glücklich. Der letzte Anstieg forderte noch einmal Kraft, doch das Gefühl, dort oben angekommen zu sein, war schlicht überwältigend.



Bevor wir den Rückweg antraten, blieben wir noch einen Moment auf dem Heimgarten-Gipfel stehen und genossen das Panorama in aller Ruhe. Der Blick auf die verschneiten Alpen war einfach majestätisch – die schroffen, weiß überzuckerten Gipfel wirkten fast wie aus einer anderen Welt. Links unter uns lag der tiefblaue Walchensee, rechts der still glitzernde Kochelsee – ein faszinierender Kontrast, der sich in seiner Schönheit kaum in Worte fassen lässt.
Da wir eine Rundtour gemacht hatten, führte uns der Rückweg schließlich nicht über den gleichen Grat zurück, sondern über den direkten Abstieg Richtung Walchensee. Auch dieser Weg forderte uns noch einmal ordentlich – körperlich wie mental. Die letzten Kilometer zogen sich, das Gelände war stellenweise steil und verlangte Aufmerksamkeit, besonders auf den noch leicht rutschigen Stellen. Aber mit der Motivation des bevorstehenden Zieles meisterten wir auch diesen Abschnitt.
Nach etwa zwei Stunden und fünfzehn Minuten erreichten wir wieder unseren Ausgangspunkt am Walchensee – müde, aber erfüllt von den vielen Eindrücken des Tages. Der Duft der Bäume, das Knirschen des Schnees am Grat, die Aussicht von den Gipfeln, das kleine Abenteuer am Felsen – all das machte diesen Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Ein wunderschöner Tagesausflug, der Natur, Bewegung, Überraschung und Panorama auf perfekte Weise vereint hat. Wer Lust auf eine fordernde, aber machbare Tour mit unglaublichen Ausblicken hat, für den ist der Herzogstand mit Gratwanderung zum Heimgarten genau das Richtige.



