Sri Lanka – Zwischen Secret Place und Touri-Hotspot

Sri Lanka ist ein Erlebnis. Ein Land der Kontraste, der Extremata, der schieren Eruption an innerlicher Überwältigung. Wir befinden uns zwischen Secret Place und Touri-Hotspot, inmitten unberührter Natur und menschenüberfluteter Gassen, neben Großkonzernen und Straßenverkäufern.

Kurzum, es scheint unmöglich, Sri Lanka in (zumal knappe) Worte zu fassen. Bei kaum einem Land muss ich als Autor so darauf achten, mich nicht in inflationären Superlativen zu verlieren oder zu weit auszuschweifen in einzelnen Ereignissen oder Sehenswürdigkeiten, die mich noch bei bloßer Erinnerung erstarren lassen. 

Sri Lanka: Zwischen Surferparadies und versteckten Oasen

Die Inselnation südlich Indiens ist gerade in Deutschland schon lange populär als Surferparadies und so sind einige der Strände im Süden der Insel ausgesprochen touristisch angehaucht, allen voran denke ich hier an Hikkaduwa. Hier trifft man auf Einheimische, die flüssig deutsch sprechen. Andernorts ist das ganz anders und wir arteten förmlich aus zum heißbegehrten Objekt für Fotos und Selfies, da wir so exotisch anmuteten mit unseren hellen Haaren und der noch wenig Sonne gewohnten Hautfärbung. 

Nun, man kommt schwer herum um manche der gängigen Touristenfallen vor allem an Küstenregionen wie einem preislich völlig überzogenen Whalewatching oder ähnlich horrenden Jeepfahrten durch die Nationalparks (die am Ende des Tages kilometerlangen Stau Richtung Ausgang bildeten); auch Sehenswürdigkeiten wie Schildkrötenauffangstationen sind mit Vorsicht zu genießen, denn obgleich einige wirklich spürbar am Wohl und an baldiger Freilassung der Tiere arbeiten, wahren andere ihre „Trophäen“ und scheuchen nur schnell die Schaulustigen vorbei. Doch dann kommt man wieder an einen dieser Plätze, wo kaum ein Mensch die Friedfertigkeit stört, wo man Teil wird von Naturspektakeln wie wilden Wasserfällen oder plötzlichen Tiersichtungen. Oder man geht in heruntergekommene Läden, an denen man sich ohne nur ein Wort voneinander zu verstehen einfach sympathisch ist, für Centbeträge einmalig guten Kaffee, feinwürzige Gebäckteile oder riesige Teller traditioneller Spezialitäten genießt. An dieser Stelle übrigens ein klares „nein“: Ich werde keinen dieser Orte hier benennen, denn es würde einerseits den Zauber nehmen, wenn viele hier hereinkämen, andererseits würde es Euch des Abenteuers berauben, diese Plätze für Euch selbst zu entdecken. Und es gibt viele davon!

Abenteuer Rundreise

Es dürfte durch die bisherigen losen Berichtsfetzen bereits klar geworden sein: Wer Sri Lanka wirklich sehen will, der darf nicht an einem Ort verweilen, sondern der muss herumreisen und möglichst viele verschiedenen Eindrücke sammeln, die sich erst viel später im Kopf zusammenpuzzeln zu einem Gesamtbild dieses Landes. Wir entschieden uns für die komfortabelste Weise, nämlich für einen privaten Fahrer, der uns elf Tage lang quer durch das Land beförderte. Natürlich käme man auch günstiger von einem Ort zum anderen, jedoch ist selbst unsere Variante für europäische Verhältnisse absolut erschwinglich und so profitierten wir vom Wissen eines Einheimischen, der uns sämtliche versteckten Plätze und Geheimtipps zuteilwerden ließ und sich ganz unseren Wünschen anpasste, was wir sehen wollten und was nicht. Auf diese Weise ging es grob von Negombo im Westen nach Sigiriya mit dem berühmten Löwenfelsen, dann zur ehemaligen Hauptstadt Kandy, weiter ins Hochgebirge über Nuwara Eliya, wo die Berge von Teeplantagen gesäumt werden. Wir besuchten Ella, fuhren dann in den Süden hinunter nach Yala in den Nationalpark, verbachten einen Tag in Mirissa und fuhren dann die Küste entlang über Galle und Hikkaduwa zurück nach Negombo.

Wer hätte es gedacht, der Lions Rock erwies sich als erstes großes Ziel unserer Reise. Über tausend teils windige Stufen führen hinauf auf einen gewaltigen Felsblock, der pompös aus dem ansonsten flachen Land aufragt. Früher befand sich hier ein Tempel, heute geiern nur einen Haufen Affen auf alles Essbare und ergänzen das herrliche Fotopanorama. An mehreren Stellen des Parks um den Felsen herum finden sich noch Felsmalereien oder präzise gehauene Felsblöcke und es lassen sich noch ein paar der alten Räumlichkeiten erahnen; das Spektakel allerdings bleibt die einmalige Aussicht über das Land und der schwindelerregende Auf- und Abstieg. Wobei zweiteres nicht zuletzt dadurch in Erinnerung blieb, da gegen Abend so viele Menschen wieder herabsteigen wollten, dass man über eine halbe Stunde in der Schlange stand, wo sich immer wieder Menschen vordrängten oder sich über kleine Seitengänge vorne in die Menschentraube integrierten. 

Dorfabenteuer und spirituelle Eindrücke

Am nächsten Tag ließen wir uns auf eine kleine Dorf-Tour ein, die zwar nach Touri-Kitsch klang, sich schlussendlich als absoluter Höhepunkt erwies. Zunächst fuhren wir mit einem traditionellen Ochsenkarren, ließen uns dann mit bestem Blick auf den Löwenfelsen per Boot über den See fahren, bereiteten in einem kleinen Dörfchen unser eigenes Essen zu mit den Mitteln und Geräten der Einwohner und konnten dies auch als zweites Frühstück einnehmen – Besseres Essen findet man nirgends, wo Touristen hinkommen! –, bevor wir per Tuk-Tuk zum Ausgangspunkt gebracht wurden. 

Am selben Tag besuchten wir noch den Höhlentempel in Dambulla, wo eine schier unendliche Anzahl kleiner wie großer wie gewaltiger Buddha-Staturen grüßten, übertroffen nur vom gewaltigen über 30 Meter hohen Goldbuddha im danebengelegenen Goldtempel. Aus Respekt vor der Religion soll man Tempel prinzipiell barfuß betreten, dazu lange Beinbedeckung tragen, Frauen müssen darüber hinaus den Kopf bedecken. Für die Beine schien mir ein sogenannter Sarong als perfekte Lösung: Dieses große Tuch wird rasch um die Hüfte gebunden, ist bodenlang und ausgesprochen bequem. Früher trugen ihn vor allem Einheimische der ärmeren Schichten, da er günstiger ist als Hosen, mittlerweile gibt es sehr edle Versionen und steht als Zeichen der Insel. Während er von Singhalesen getragen wird ohne Unterwäsche, ließ ich meine kurze Hose darunter an, konnte so bei Tempeln schnell wechseln und hatte parallel alle meine Wertsachen in dichtgedrängten Gassen oder Räumen gut geschützt. Auch zog es ein paar bewundernde Blicke auf sich, dass ich als Exot den Sarong so schnell binden konnte.

Kandy – quirliges Herz im Hochland

Ganz traditionell und zumindest zu unserer Reisezeit Ende Dezember wenig berührt von Touristen gab sich Kandy mit dichter Bebauung, lauten Straßen ohne Gehwege (man gewöhnt sich schnell an das Laufen mitten auf der Straße!) und vollen Märkten. Die Leute handelten hektisch am Markt, der ein altes Fort gänzlich ausfüllte und sogar auf die die umliegenden Flächen überschwappte, trugen dann die erworbene Ware einfach über die Zugschienen nach Hause – ein ganz gängiges Phänomen, da die Züge langsam fuhren und selten.

Langsam fahren übrigens auch die Autos, die auf der Insel generell sehr klein sind. Straßenregeln gibt es, sie werden aber selten befolgt. Eine normale, quasi einspurige Straße wird gerne in bis zu drei Linien befahren: links Motorradfahrer, in der Mitte Autos und quer umher (offiziell links, tatsächlich rechts oder mittig oder überall) die kleinen Tuk-Tuks, die sich dazwischenklemmen, wo immer ein Millimeter Platz aufkommt. Diese Tuk-Tuks werden viel als Taxi verwendet; man sollte nur den regulären Preis kennen und vor der Fahrt aushandeln oder über Apps wie PickMe buchen, sonst steigen die Forderungen der Fahrer gerne ins Unermessliche. In Städten kommt man mit dem Tuk-Tuk dafür deutlich schneller voran als mit jedem anderen Transportmittel, denn die Fahrer sind gnadenlos und kommen überall durch, egal wie. Ich gewann tierischen Respekt vor der Fahrleistung, denn ich sah nicht einen einzigen Unfall und fast kein Auto hatte Kratzer oder Dellen, was angesichts des Verkehrstreiben skurril erschien.

Wenn ich von Städten rede, so ist übrigens der Übergang fließend; Landstraßen in dem Sinne gibt es zwar, doch sieht man sie nicht als solche, denn die Ränder sind dicht an dicht bebaut mit unzähligen Wellblechhütten und Vergleichbarem, wo man pausenlos Kokosnüsse, Blumen, Gebäck und sonstiges erwerben kann. Dies zeigt die grenzenlose Armut der Menschen, die nahezu nichts besitzt, doch zum Überleben Wasser kaufen muss und so auf zwei- bis dreitausend Rupien pro Familie am Tag (umgerechnet unter zehn Euro) angewiesen ist. Für uns natürlich recht angenehme Stopps, um eine King-Coconut zu trinken, wo wir auch viel lieber großzügiges Trinkgeld gaben als bei den schick angezogenen Händlern in der Stadt.

Hoch hinaus ging es nach Nuwara Eliya, durch den Teehandel reich geworden und ganz anders anmutend als zuvor Kandy. Ein Stadtpark mit Eintritt und unzähligen Angeboten zu teuren Bootsfahrten auf schlammigem Wasser unterstrich dies. Darum herum ein Meer aus Teefelder, ärmlichen Pflückerinnen mit blutenden Fingern und kaum Zähnen im Mund, die sich jedem Touristen für Fotos oder ein paar Teeblätter (gegen Spende) aufdrängten. Wie Monolithen taten sich dazwischen die Teefabriken auf, luden großspurig zu Besichtigungen und Teeverkostungen auf Sonnenterrassen ein, ein Hauch England inmitten der Armut außen herum.

Ella – wo Abenteuer beginnen

Ein Phänomen ist Ella. Mit Abstand die von der Lage, Bebauung und Auswahl an Geschäften schönste Stadt der Insel für europäischen Geschmack, doch dann wiederum fällt auf, wie viel ihrer Ursprünglichkeit sie im Gegensatz zu Kandy, Negombo und co, aufgegeben hat, um das zu werden, was sie ist. Nicht umsonst ist die Stadt ein Touristenmagnet. Man braucht schon etwas Glück und sollte sich in anderen Städten ein Gespür verschafft haben, wo man gut und traditionell essen kann, um hier nicht aufzulaufen, doch es gibt wahre Goldgruben an genialem Streetfood. Um Ella herum häufen sich die Highlights wie die Seven Arches Bridge, eine überwältigende Eisenbahnbrücke, über die man flanieren kann, daneben einen Lasse schlürft und dann durch den Jungle wieder zurückgeht, oder den Little Adams Peak, wo sich mehrere kleine Berge in einer Kettenformation auftun – scheint der erste noch mittel spektakulär, so kann man bei jedem weiteren immer schönere und (der Faulheit der Masse sei es gedankt) unberührtere Plätze genießen. Auch ein paar Wasserfälle von einmaliger Schönheit birgt die Umgebung: Auf einen dieser wanderten wir hinauf und durften oben sogar an der Spitze des Wasserfalls baden, da das Wasser nur durch ein kleines Loch strömt und man erstaunlicherweise nicht mitgerissen wird von den Fluten hinab über mehr als zweihundert Meter ins Tal. 

Bekanntheit errang Yala durch den Nationalpark, der neben Elefanten auch Leoparden beheimatet. So fährt man stundenlang mit dem Jeep auf den ausgeschilderten Wegen, während die Fahrer regelmäßig telefonieren, um über die neuesten Sichtungen zu erfahren. Nun, man sieht tatsächlich viele schöne Tiere und wir konnten auch Jungelefanten beim Fressen beobachteten (nur die Leoparden verbargen sich uns) – das Drumherum allerdings halte ich für recht fragwürdig und weiß nicht, ob ich es noch einmal auf mich nehmen würde. 

Unser Neujahrsfest verbrachten wir in Mirissa am Strand, wo wir auch mal abschalten konnten vom vielen Besichtigen. Ein piratenhaft anmutender Papageienfelsen, der nur über eine klapprige Holztreppe erreichbar ist, wirkt als Hingucker ähnlich wie auch der Kokosnussbaum-Hügel direkt am Strand. Im Küstenwasser entdeckten wir eine bunte Fischvielfalt und sogar einige Babyhaie.

Für einen lohnenswerten Zwischenstopp eignet sich Galle mit seiner historischen Altstadt inmitten einer riesigen Festungsmauer, über die man flanieren darf. Was an dieser Küste der Tsunami 2004 alles angerichtet hat, sieht man nur noch mancherorts, dafür dort umso gewaltiger. Hikkaduwa als letztes Ziel der Reise vor unserer Rückkehr nach Negombo gilt wie erwähnt als Surferparadies, hatte entsprechend außer großem Strand und tollen Wellen wenig zum Besichtigen.

Zurück in Negombo genossen wir noch einmal das Lebensgefühl auf Sri Lanka, eine volle Mainstreet, ein paar schöne buddhistische wie hinduistische Tempel, Seite an Seite neben christlichen Kirchen, daneben ein zu vernachlässigendes, da nahezu nicht existentes Dutch Fort, dafür eine hinreißende Bootsfahrt durch die Mangroven.

Wo soll ich aufhören, über Sri Lanka zu berichten? In meinem Kopf tun sich noch nicht enden wollende Geschichten auf über diese Insel. Mir scheint, ich hätte erst angefangen, zu schreiben, und doch wird es allmählich Zeit, ein Ende zu finden. So beschließe ich traditionell mit einem Fazit, das in meinem Falle wieder zurückführt zum Beginn unserer geschriebenen Rundreise: Sri Lanka ist ein Erlebnis.